Wenn Worte verletzen statt fördern – Über Machtmissbrauch und emotionale Gewalt an Universitäten
- Team mutiva
- 30. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
„Du wirst sowieso nie eine gute Wissenschaftlerin sein“
Vor ungefähr 10 Jahren sagte diesen Satz mein damaliger Professor zu mir. Ich hatte ihn in einem Mitarbeitergespräch um Hilfe gebeten. Ich kam mit meiner Forschung nicht voran, hatte viele Fragezeichen, fand das Thema viel schwieriger als gedacht, hatte Schwierigkeiten mich hineinzuarbeiten. Für mich war es also logisch, dass ich die Hilfe meines Vorgesetzten in Anspruch nehmen würde. Ich wollte mit ihm besprechen, was meine Möglichkeiten sein könnten. Ich wollte mit ihm zusammen erarbeiten, was ich noch ausprobieren könnte, welche Themen noch interessant sein könnten und einfach mit ihm gemeinsam erarbeiten, was ich machen könnte.
Leider wurden meine Erwartungen an dieses Mitarbeitergespräch in keiner Hinsicht erfüllt. Mein damaliger Chef meinte, es wäre sehr „motivierend“ mich mit den männlichen Doktorand:innen zu vergleichen, mich bei diesem Vergleich abzuwerten, mir den Wissenschaftlerstatus abzuerkennen und mich dadurch zu „Heldentaten“ zu motivieren.
Leider war er mein erster Chef und irgendwie glaubte ich ihm. Ich war in der Forschung ja wirklich nicht erfolgreich. Die Sachen, die ich ausprobierte, klappten nicht. Der Bachelorstudent, den ich betreute, hatte wirklich keine gute Arbeit abgegeben. Das heißt auf eine perfide Art und Weise gab es viele Argumente, die dafür sprachen, dass ich einfach keine gute Arbeit, heißt gute Forschung, machte. Das sah ich auch selbst.
Also fing ich an lange da zu bleiben, ich versuchte mir Themen weiterhin selbst zu erarbeiten, ich arbeitete mit Kolleg:innen zusammen. Doch ich war total unglücklich und ich wollte eigentlich nur weg von diesem Ort, der nicht schön war, an dem es keine Wertschätzung gab, an dem der Chef, wenn es Vorstöße von Mitarbeitenden gab, um die Zusammenarbeit zu verbessern, Wutanfälle bekam. Gleichzeitig vermied ich es jemals wieder in eine ähnliche Situation mit meinem Vorgesetzten zu kommen, also in einer, in der ich ihn um Hilfe bat.
Ich schaffte es mit viel Hilfe von anderen Doktorand:innen und Postdoktorand:innen meine
Doktorarbeit zu schreiben und die Prüfung zu bestehen.
Ich war froh, dass es vorbei war, ich war überhaupt nicht stolz, auf das was ich geleistet habe und ich wollte unbedingt weg von dem Ort Uni.
Doch was war das eigentlich, was mir da passiert ist? Und warum war es für alle normal?
Das was ich und auch Kolleg:innen erlebt haben, war Machtmissbrauch.
Machtmissbrauch zeichnet sich dadurch aus, dass ein Mensch, der einen Vorsprung an höherem Status, Netzwerk, Macht und Geld besitzt, dir deine Menschenwürde abspricht.
Die Menschenwürde ist nach moderner Auffassung zum einen der Wert, der allen Menschen gleichermaßen und unabhängig von ihren Unterscheidungsmerkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung oder Status zugeschrieben wird, und zum anderen der Wert, mit dem sich der Mensch als Art über alle
anderen Lebewesen und Dinge stellt [Quelle: Wikipedia].
Machtmissbrauch kann in vielen verschiedenen Szenarien vorkommen. Das was ich erlebt habe, war emotionale Gewalt.
Führungskräfte dürfen so nicht mit einem sprechen. Sie dürfen einen nicht anschreien. Sie dürfen einen nicht emotional unter Druck setzen, um „bessere“ Leistung aus einem herauszupressen.
Warum schreibe ich diesen Artikel? Ich schäme mich dafür, was mir passiert ist. Ich schäme mich dafür, dass ich es nicht einfach weglegen konnte, meinem Chef nicht glauben konnte und einfach weitermachen konnte. Mein Selbstwertgefühl hat sehr darunter gelitten. Und ich möchte gerne einen Unterschied machen. Ich möchte dir Mut zusprechen. Wenn du das Gefühl hast, du wirst nicht gut behandelt, dann stimmt das. Wenn du das Gefühl hast, du steckst in einer Sackgasse, dann stimmt das auch. Wenn du einfach bei dir ein komisches Gefühl wahrnimmst, dann geh dem nach und versuche eine für dich passende Lösung zu finden.
Ich finde es unfassbar wichtig, dass wir nicht einfach weitermachen und am Ende ein Leben leben, dass nicht zu uns passt, dass wir nicht angestrebt haben, dass uns stresst und in dem wir keinen Spaß haben. Dazu ist das Leben viel zu wertvoll.
Und hier möchte ich ansetzen: Ich will über Machtmissbrauch aufklären. Ich will über Themen sprechen, über die sonst keiner sprechen will, weil wir nur sie nur so aus der schambehafteten Ecke herausbekommen. Ich will etwas verändern.
Und wenn du das Gefühl hast, du wirst nicht gut behandelt, du kommst alleine nicht weiter, du bist vielleicht in einer ähnlichen Situation, wie ich damals, dann melde dich gerne bei mir.
Wir besprechen die Situation, wir besprechen deine Handlungsmöglichkeiten und wir schauen gemeinsam, was deine Lösung ist. Denn auch wenn es sich nach einer ausweglosen Situationanfühlt, es gibt immer Möglichkeiten sich zu wehren, sich zu verbünden oder sich gegenseitig zu unterstützen und am Ende das System zu verbessern. Was wir dazu am meisten brauchen, ist Mut und Hoffnung und diese immer wieder auszugraben, dafür bin ich da.
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